Weihnachten

Es ist wie es ist, meine lieben Leser, Heiligabend steht vor der Tür und damit beginnt wieder das große Fest der Völlerei und des familiären Daueraufenthalts. Tagsüber läuft noch alles im normalen Alltagstrott, doch sobald die Dunkelheit einsetzt, verwandelt sich die Welt in eine Mischung aus Laufsteg und Schlachtfeld. Jeder putzt sich heraus, als stünde ein Casting für die Rolle des „festlichsten Familienmitglieds“ an, und marschiert zur Feier, die traditionsgemäß im Haus der obersten Familienchefin stattfindet.

In meiner mallorquinischen Familie ist das meine Schwiegermutter. Sie hält das Zepter mit der Eleganz einer Königin und der Strenge eines Feldwebels. Die meisten Mitglieder ihres Clans folgen brav ihrer Pfeife, doch mein Mann und ich tanzen gelegentlich aus der Reihe. Dazu kommt noch eine Cousine, die sich weigert, die Noten des Familienorchesters mitzuspielen. Aber das ist eine andere Geschichte, die ich mir für eine andere Kolumne aufhebe.

Sobald alle am Tisch sitzen, beginnt das Spektakel. Es wird gegessen, geredet und gelacht, als gäbe es einen Preis für die lauteste Familie der Insel. Der eigentliche Star des Abends ist jedoch der Nachtisch. Heiße Schokolade mit Churros oder Ensaimada. Ich könnte mich in diese Schokolade hineinlegen wie in ein Whirlpool aus süßer Glückseligkeit. Die Ensaimadas, meine bevorzugte Wahl, erscheinen in allen Varianten, gefüllt, ungefüllt, rund, flach, groß, klein. Ein kulinarisches Gedicht, das so viele Kalorien hat, dass selbst ein Marathonläufer ins Schwitzen käme, nur beim Betrachten dieser Köstlichkeit.

Nach dieser Fressorgie zieht es die stolzen Mallorquiner in die Kirche zur Mitternachtsmesse. Dort ertönt der Gesang der Sibylla, ein mittelalterliches Stück Kultur, das von der UNESCO geadelt wurde. Ein Mädchen oder ein Bub trägt ein Schwert und singt, als wolle es die gesamte Insel mit einer einzigen Note in den Himmel katapultieren. Die Jugend zieht danach noch los, feiert bis zum Morgengrauen und tut so, als sei Schlaf ein überbewertetes Konzept. Ich hingegen liege im Bett, schwöre mir wie jedes Jahr, nie wieder so viel Schokolade zu trinken und nie wieder von jeder Ensaimada ein Stück zu probieren.

Am nächsten Tag geht es wieder ins Haus der Zepterhalterin. Mittags wird erneut aufgefahren, als stünde ein Wettbewerb im Mästen an. Spanferkel mit Kartoffeln, Salat, Sobrassada und Turron. Letzterer ist so hart, dass er problemlos als Baumaterial für eine Kathedrale dienen könnte. Wer ein Gebiss hat, sollte vorsichtig sein, sonst wird der Zahnarzt zum heimlichen Weihnachtsmann. Zum Glück gibt es inzwischen weichere Varianten, die nicht gleich eine Versicherungspolice erfordern.

Am frühen Abend endet der Zauber. Die Familie verabschiedet sich, jeder zieht wieder seiner Wege. Am 26. Dezember folgt die große Erholung. Man liegt auf dem Sofa, trägt Jogginghosen, die den Bauch gnädiger behandeln als jede Jeans, und versucht, die letzten Tage zu verdauen. Manche schwören auf Kräutertee, andere auf lange Spaziergänge, doch die Wahrheit ist: die meisten bewegen sich nur zwischen Kühlschrank und Couch, als sei das ein olympischer Parcours. Manche schaffen es sogar, dabei den Fernseher gleichzeitig laufen zu lassen, was die Disziplin „synchrones Nichtstun“ perfekt abrundet.

Meine lieben Leser, Sie haben richtig gelesen: Geschenke fehlen. Auf Mallorca gibt es keine Geschenke an Weihnachten. Das eigentliche Geschenk ist die Zeit mit der Familie. Alle sitzen zusammen, lachen, essen, streiten vielleicht ein wenig, aber sie sind da. Wer weiß schon, ob im nächsten Jahr dieselben Gesichter wieder am Tisch sitzen. Das Leben ist unberechenbar, manchmal härter als Turron, manchmal süßer als heiße Schokolade.

Genießen Sie den Augenblick, lachen Sie viel, essen Sie noch mehr und vergessen Sie die Geschenke. Denn das größte Geschenk ist, dass wir zusammen sind, auch wenn die Schwiegermutter das Zepter schwingt wie ein General, die Ensaimada uns in die Knie zwingt wie ein kulinarischer Schwergewichtskampf und die Jogginghose am Ende des Festes zum wahren Helden wird.

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