Sockenkolonie
Es ist wie es ist, meine lieben Leser, aber manchmal frage ich mich, ob Mallorca nicht längst zum 17. deutschen Bundesland erklärt wurde? Mit eigener Flagge, bestehend aus weißen Tennissocken und einem Strohhut, die im Wind flattern wie stolze Banner einer neuen Kolonie.
Denn eines ist sicher: Wer hier lebt, weiß, dass die Deutschen sich nicht gerade durch vorbildliches Benehmen hervortun. Sprache lernen? Ach was! Spanisch oder gar Mallorquín? Wozu denn, wenn man doch davon überzeugt ist, dass die Mallorquiner bitteschön Deutsch lernen sollen. Schließlich ist es ja viel einfacher, wenn der Bäcker morgens „Brötchen“ ruft, anstatt „panecillos“. Und wenn der Kellner im Café nicht versteht, was „Kaffee mit Milch“ bedeutet, dann wird eben die Stirn gerunzelt und der Satz hervorgestoßen, der wie ein Mantra über der Insel hängt: „In Deutschland aber…“
Ja, ja, „in Deutschland aber“ – dieser Satz ist die Allzweckwaffe, das Schweizer Taschenmesser der deutschen Auswanderer. Er funktioniert in jeder Situation. Das Bier ist warm? „In Deutschland aber…“ Der Nachbar grillt zu laut? „In Deutschland aber…“ Die Sonne scheint zu hell? „In Deutschland aber…“ Man möchte fast meinen, die Deutschen hätten die Insel nur betreten, um den Einheimischen zu erklären, wie man richtig lebt.
Wenn einmal etwas nicht passt, sei es die Müllabfuhr, die Parkplatzsituation oder die Tatsache, dass der Nachbarshund zu laut bellt, dann wird nicht etwa das Gespräch gesucht. Nein, das wäre ja viel zu einfach! Stattdessen wird sofort ein Anwalt eingeschaltet. Natürlich ein deutschsprachiger Anwalt. Das Kommunizieren miteinander ist schließlich überbewertet, besonders wenn man sich überlegen fühlt und viel Geld hat.
Diese Besserwisserei ist fast schon eine Inselattraktion. Man könnte Eintritt verlangen, wenn ein Deutscher wieder einmal einem Mallorquiner erklärt, wie man richtig Oliven anbaut oder warum die Tapas eigentlich viel effizienter serviert werden könnten. Es ist, als hätten sie alle einen inneren Professor, der unaufhörlich Vorträge hält, ungefragt versteht sich.
Oft bewundere ich den Kleidungsstil meiner Landsleute, vor allem den der Männer! Ach, meine lieben Leser, die weißen Socken im Birkenstock sind nicht nur ein Klischee, sie sind eine Realität, die sich wie ein Naturgesetz durchsetzt. Sie leuchten im Sonnenlicht wie Leuchttürme, die den Weg weisen: „Hier kommt ein Deutscher!“ Dazu das obligatorische Funktionshemd, das selbst bei 35 Grad noch geschlossen bleibt, und die Shorts, die so praktisch sind, dass sie jeden modischen Anspruch im Keim ersticken.
Natürlich darf auch die Hochstapelei nicht fehlen. Jeder kennt den Typus: frisch angekommen, noch keine zwei Wochen hier, aber schon Experte für Immobilien, Gastronomie und Politik. „Ich kenne da jemanden im Rathaus“, heißt es dann, oder „Ich habe Kontakte, die alles regeln können.“ In Wahrheit reicht die größte Errungenschaft oft nur bis zum Stammtisch im deutschen Restaurant, wo man sich gegenseitig mit Geschichten übertrumpft, die so aufgeblasen sind, dass selbst ein Heißluftballon neidisch würde.
Und der Neid, oh ja, der Neid ist wie die Salzluft am Meer: überall spürbar. Wenn der Nachbar ein neues Auto hat, wird sofort gemunkelt, dass er bestimmt „irgendwelche Tricks“ angewandt hat. Wenn jemand ein Haus kauft, heißt es: „Das hätte ich auch gekonnt, wenn ich gewollt hätte.“ Es ist ein ewiges Wettrennen, wer besser, klüger, reicher oder zumindest wichtiger ist.
Dabei vergessen viele, dass Mallorca nicht Deutschland ist. Hier gelten andere Regeln, andere Rhythmen, andere Sprachen. Wer das nicht akzeptieren will, dem bleibt nur eins: zurück nach Deutschland, wo man sich wieder über die Mülltrennung und die Pünktlichkeit der Bahn aufregen kann. Ende Gelände.
Doch trotz allem, und vielleicht gerade deswegen, ist es auch ein bisschen amüsant. Denn ohne die Deutschen mit ihren weißen Socken, ihren Anwälten und ihrem „In Deutschland aber…“ wäre Mallorca nur halb so bunt. Sie sind wie die Rosinen im Kuchen: man mag sie nicht immer, aber irgendwie gehören sie dazu.