Einsamkeit

Es ist wie es ist, meine lieben Leser, aber, Mallorca ist nicht nur eine Insel der ewigen Postkartenmotive und Ballermannpartys. Wer hier lebt, so glaubt man, hat das große Los gezogen: Palmen vor der Haustür, das Meer als Nachbar, und ein Alltag, der nach Urlaub riecht. Doch hinter den Fassaden der Fincas und Apartments verbirgt sich eine andere Realität, über die kaum jemand spricht: Die Einsamkeit der deutschen Residenten, besonders jener, die älter sind oder ihr Leben hier ganz allein verbringen.

Ein Thema, das man lieber verschweigt. Denn wer gibt schon gerne zu, dass er sich auf der Trauminsel einsam fühlt? Viele schämen sich dafür, wollen es nicht zugeben, nicht einmal gegenüber der Familie oder Freunden in Deutschland. Schließlich klingt es grotesk: Vereinsamt auf Mallorca, wo doch das Leben angeblich ein einziges Fest ist. Nun, die Wahrheit ist: Die Sonne wärmt nicht immer die Seele.

Manche suchen Trost im Alkohol. Die Bar wird zum Wohnzimmer, die Flasche zum besten Freund. Sangría, Bier oder Hierbas, die Gläser füllen die Leere, die Gespräche bleiben oberflächlich oder finden kaum statt, aufgrund der Sprachbarriere. Andere isolieren sich komplett. Sie ziehen sich zurück in ihre Häuser, schließen die Persianas und verschwinden aus der Gesellschaft. Man sieht sie kaum, außer vielleicht beim schnellen Einkauf im Supermarkt, wo sie wortlos die Kasse passieren.

Zurück nach Deutschland? Für viele keine Option. Zu groß ist die Angst, als Versager dazustehen. „Man hat es im Ausland nicht geschafft“, dieser Satz schwebt wie ein Damoklesschwert über den Köpfen. Also bleibt man, auch wenn das Herz manchmal schreit und die Tage sowie die Nächte lang und still sind.

Die Einsamkeit hat viele Gesichter. Sie zeigt sich an verschiedenen Orten: im Café, wo jemand allein sitzt und so tut, als würde er Zeitung lesen, während er in Wahrheit nur die Stunden zählt. Auf den Märkten, wo die Stimmen der Händler zwar laut sind, aber niemand einen anspricht. In den langen Wintermonaten, wenn die Insel leerer wird, die Touristen verschwinden und die Herzen kälter werden als die Häuser.  

Jedoch ist das viele Alleinsein nicht immer sichtbar. Viele Residenten pflegen nach außen das Bild des glücklichen Auswanderers. Fotos am Strand, lachende Gesichter, ein Glas Wein in der Hand. Die sozialen Medien sind voll davon. Aber hinter den Bildern liegt oft ein anderes Leben: eines, das von Sehnsucht nach Gesellschaft und Integration geprägt ist.

Die Scham ist groß. Die Isolation gilt als persönliches Versagen, als Makel. Wer einsam ist, hat angeblich nicht genug getan, nicht genug Kontakte geknüpft, nicht genug „Mallorca gelebt“. Dabei ist es oft schlicht die Realität des Auswanderns: Man verlässt seine gewohnte Umgebung, seine Freunde, seine Familie und findet sich plötzlich in einer Gesellschaft wieder, die man nicht ganz versteht und deren Idiome man meistens nicht spricht.

Mallorca ist freundlich, Mallorca ist toll, ja! Aber es ist auch eigen. Wer hier lebt, muss sich einfügen, muss die Sprache sprechen, die Kultur verstehen, die Eigenheiten akzeptieren. Nicht jeder schafft das. Manche bleiben Fremde, selbst nach vielen Jahrzehnten.

So entsteht ein Schweigen. Ein Verstummen, das schwerer wiegt als ein ausgewachsener Stier. Man spricht nicht darüber, man lächelt, man hält durch. Bis die Abende wieder still werden, die Gedanken lauter und die Tränen nicht mehr zurückgehalten werden können. Es ist einfach keiner da, der fragt, wie es einem geht, der einem zuhört und aufmuntert.

Das ist nun mal eine Tatsache, meine lieben Leser, die Vereinsamung mancher Landsleute ist Teil des Lebens auf Mallorca. Sie gehört zur Insel wie die Mandelblüte im Februar oder der Stau am Flughafen im August. Unsere Insel ist ein Paradies, oh ja, durchaus! Allerdings auch in einem Garten Eden gibt es Schatten, die größer sind als die mallorquinischen Palmen.

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