Auswanderung
Es ist wie es ist, meine lieben Leser, aber die Insel füllt sich allmählich und sicher mit den Neuauswanderern! Woran ich das merke? In erster Linie an den täglich steigenden Anfragen für Spanischunterricht und in zweiter Linie, weil in meinem Bekannten- und Freundeskreis wieder verstärkt darüber gesprochen wird. Jeder kennt jemanden, der jemanden kennt, der gerade frisch auf die Insel gezogen ist.
Für mich ist es verständlich, dass man das kalte, graue Deutschland verlassen will und sich ein neues Leben auf der wunderschönen und sonnigen Insel aufbauen möchte. Soweit so gut! Was mich jedoch immer wieder wundert, ist, dass viele Neuinsulaner ohne jegliche Planung und mit großer Naivität hierherkommen.
Fangen wir mal mit den motivierten Auswanderern an. Das sind die, die kein Wort Spanisch sprechen, jedoch voller Zuversicht sind, dass sie die Sprache schnell und sofort erlernen. Als erfahrene Sprachenlehrerin kann ich bestätigen, dass man niemals eine Sprache schnell und sofort erlernen kann, erst recht nicht in einem einzigen Wochenendkurs oder in einem zweiwöchigen Intensivkurs. Es sei denn, man ist klüger als Einstein, dann dürfte dieses Vorhaben bestimmt gelingen, aber als normalsterblicher Mensch wird man es nicht schaffen. Mindestens ein Jahr sollte man einplanen, neben all den anderen Verpflichtungen wie Familie, Arbeit, Hund, Katze, Maus, um ein einigermaßen akzeptables Spanisch zu sprechen. Vielleicht sogar noch länger, je nachdem, wie viel Zeit für das Lernen aufgebracht werden kann. Meist blicke ich in entsetzte Gesichter, wenn ich erwähne, dass man auf Mallorca zusätzlich noch Katalan sowie Mallorquin spricht und es einem nicht schadet, wenn man davon auch ein paar Brocken kann.
Dann hätten wir noch die integrationsresistenten Auswanderer, meine lieben Leser. Das sind die, für die das Erlernen der spanischen Sprache überhaupt nicht infrage kommt! Schließlich ist Mallorca das siebzehnte Bundesland und jeder hat hier gefälligst Deutsch zu sprechen! Ein deutscher Arbeitgeber muss her, ein deutscher Supermarkt, ein deutscher Handwerker, ein paar deutsche Freunde, eine deutsche Schule für die unerzogenen sowie verwöhnten Bälger. Wenn man diese Frischauswanderer fragt, warum sie auf die Insel gekommen sind, wenn sowieso alles deutsch sein soll, kommt die Antwort wie aus der Pistole geschossen: „Deutschland ist nur noch voller Ausländer, die kein Wort Deutsch sprechen und die noch nie was von Integration gehört haben. Die reden nur noch ihre Kanackensprache, haben ihre kanackensprachigen Arbeitgeber, Supermärkte, Handwerker, Freunde und sogar ihre eigenen Schulen. Ist doch klar, dass man da als Deutscher die Flucht ergreifen muss!“
Kommen wir zu den sorglosen Auswanderern, das sind die, die sich irgendeinen Job ergattert haben, zum Beispiel in der Gastronomiebranche. Sie sind meist voller Euphorie, alles ist wunderbar, heiter und purer Sonnenschein. Die erste kleine Ernüchterung kommt, wenn der Lohn ausbezahlt ist. Ups, vor lauter Aufbruchsstimmung hat man übersehen, dass die Löhne nicht mal im Entferntesten der gewohnten deutschen Entlohnung entsprechen. Der ganz große Aufschrei erfolgt am Ende der Saison, wenn der Vertrag nicht verlängert wird, falls es überhaupt einen gab. Die Saison ist vorbei, die Gäste bleiben aus, der Chef schließt das Lokal für den Winter und kann sich überhaupt nicht daran erinnern, dass er zugesagt hatte, einen das ganze Jahr über zu beschäftigen. Euphorie weicht der Verzweiflung, nichts mehr ist wunderbar, nichts mehr ist heiter und die Sonne scheint auch nicht mehr so wie im Sommer. Und nun? Nun ist guter Rat teuer.