Mallorquin
Es ist wie es ist, meine lieben Leser, aber, Mallorca ist ein Paradies! Naja, wenn man sich während der Hochsaison die Ballermann-Touristen weg denkt. Sonne, Meer, Strand, Tapas, und irgendwo zwischen Olivenhain und Orangenbaum auch noch ein bisschen Lebenssinn. Doch wer glaubt, dass man mit einem Spanischkurs und einem Lächeln auf dieser Insel wirklich durchblickt, der glaubt auch, dass Sangria ein Elektrolytgetränk ist. Denn die wahre Herausforderung beginnt nicht beim Sprechen, sondern beim Verstehen. Und zwar dem Verstehen der Mallorquiner.
Denn was ein Mallorquiner sagt, ist selten das, was er meint. Und was er meint, sagt er nie direkt. Das ist keine Bosheit, das ist Kultur. Und zwar eine, die sich irgendwo zwischen höflicher Ausweichstrategie und olympiareifer Kommunikationsakrobatik bewegt.
Nehmen wir den Klassiker: „Ja te dire coses.“ Wörtlich: „Ich sag dir was.“ Tatsächlich: „Ich sag dir nie wieder was. Nie. Nie, nie, nie.“ Das ist die mallorquinische Version von „Ich meld mich“ – nur mit dem Unterschied, dass man sich garantiert nicht meldet. Es ist wie ein Abschiedskuss mit eingebautem Funkloch. Wer nach einem „Ja te dire coses“ noch auf eine Nachricht wartet, wartet wahrscheinlich auch auf den Zug, der 1964 das letzte Mal durch Llucmajor fuhr.
Oder wie wär’s mit „Ja quedarem“ – „Wir verabreden uns noch.“ Klingt nett, oder? Ist es auch. Nett wie ein Kaktus im Geschenkpapier. Denn „ja quedarem“ bedeutet in Wahrheit: „Ich hoffe, du vergisst mich, bevor ich gezwungen bin, einen konkreten Termin vorzuschlagen.“ Es ist der verbale Fluchtweg aus jeder sozialen Verpflichtung. Ein Satz wie ein Nebelwerfer. Man sieht sich, aber nur, wenn der Zufall betrunken ist.
Und dann gibt es noch den Evergreen unter den höflichen Rückzügen: „Un día feim un cafè.“ „Eines Tages trinken wir einen Kaffee.“ Was so klingt wie der Beginn einer Freundschaft, ist in Wahrheit der Schlussakkord. „Un día“ ist kein Tag. Es ist ein Paralleluniversum. Ein Ort, an dem auch verlorene Socken, verschwundene Kugelschreiber und gute Vorsätze wohnen. Wer auf diesen Kaffee wartet, kann sich gleich einen Thermobecher für die Ewigkeit zulegen.
Besonders tückisch ist auch das scheinbar harmlose „No pasa res.“ „Es ist nichts passiert.“ Oh doch. Es ist ALLES passiert. Nur eben innerlich. „No pasa res“ ist der emotionale Kühlschrank der mallorquinischen Seele. Außen cool, innen brodelt’s. Wenn Ihnen ein Mallorquiner mit zusammengekniffenen Lippen sagt, dass alles in Ordnung ist, dann laufen Sie! So schnell, wie Sie nur können! Oder, Sie bringen Schokolade mit, Schokolade ist immer gut!
Außerdem wäre da noch das berühmte „Tira a tira“ – „Schritt für Schritt.“ Das ist keine Ausrede. Das ist eine Lebenseinstellung. Eine Philosophie. Eine Zeitrechnung, die sich nicht nach Uhren, sondern nach Sonnenständen und Lustpegeln richtet. „Tira a tira“ bedeutet: Alles hat seine Zeit. Und wenn nicht heute, dann mañana. Und wenn nicht mañana, dann übermorgen. Oder nie. Aber mit einem Lächeln.
Wer also auf Mallorca lebt, muss nicht nur Spanisch lernen, sondern auch Mallorquin und das Lesen zwischen den Zeilen! Es ist eine Sprache voller Andeutungen, höflicher Nebelgranaten und charmantem Desinteresse. Aber genau das macht die Inselureinwohner so liebenswert.
Denn hinter jedem „ja te dire coses“ steckt ein bisschen Melancholie, hinter jedem „ja quedarem“ ein Hauch von Freiheit. Und wer das versteht, hat nicht nur die Sprache gelernt, sondern auch ein Stück Mallorca.
Und jetzt entschuldigt mich bitte – un día prenem un cafè, ¿val? Ja vos dire coses, meine lieben Leser!