Hochstapelei

Es ist wie es ist, meine lieben Leser, aber Mallorca ist nicht nur die Insel der Sonne, sondern auch das Biotop der deutschen Hochstapelei.

Kaum hat man den Flughafen verlassen, weht einem nicht nur die warme Brise entgegen, sondern auch ein Hauch von Größenwahn. Denn hier, auf dieser paradiesischen Bühne, verwandelt sich der durchschnittliche Deutsche in eine schillernde Figur mit mindestens drei erfundenen Karrieren, zwei spirituellen Erwachungen und einem Businessmodell, das selbst einem Toastbrot zu komplex wäre.

Man sagt ja: „Hüte dich vor Sturm und Wind – und vor Deutschen, die im Ausland sind.“ Und wer dieses Sprichwort für übertrieben hält, sollte mal einen Nachmittag in einem Beachclub verbringen. Zwischen Rosé und Räucherstäbchen wird dort mehr geflunkert als in einem Bewerbungsgespräch bei einem Start-up-Unternehmen.

Die Hochstapler auf Mallorca sind keine gewöhnlichen Blender, nein, nein, sie sind Künstler der Selbstinszenierung. Sie sprechen in Buzzwords, leben in „Fincas“, die in Wahrheit Mietwohnungen sind und deren Balkone gerade mal Platz für einen Plastikstuhl und eine vertrocknete Aloe Vera bieten. Die Luftikusse geben sich, unter anderem, als „Mentoren für ganzheitliche Lebensführung“ aus, obwohl sie morgens noch mit dem Vermieter über die Kaution gestritten haben. Ihre Lebensläufe sind so kreativ, dass man sie eigentlich für den Deutschen Buchpreis nominieren müsste.

Doch was sie eint, ist nicht nur die Liebe zur Übertreibung, sondern auch ein tief sitzender Neid. Und zwar auf jene Landsleute, die sich hier tatsächlich integriert haben. Die ganz normal leben, arbeiten, ihre Kinder zur Schule bringen und sich nicht jeden Tag neu erfinden müssen. Für die Hochstapler sind diese „Normalos“ ein Dorn im Auge. Sie gönnen ihnen nicht mal den Dreck unter den Fingernägeln, und das, obwohl sie selbst nie einen Hammer in der Hand hatten, außer vielleicht für ein Selfie mit dem Titel „Heute baue ich meine Zukunft“.

Man spürt es in Gesprächen, in Blicken, in diesen passiv-aggressiven Kommentaren: „Ach, du arbeitest hier fest? Na ja, ich bin ja eher so der freie Geist.“ Oder: „Du hast ein Haus gekauft? Ich miete lieber, denn die Flexibilität ist mir wichtig.“ Dabei ist die einzige Flexibilität, die sie wirklich leben, die beim Ausweichen vor der Realität. Nicht zu vergessen, der absolute Klassiker: „Ich bin gerade in einer Übergangsphase.“ Das klingt nach spiritueller Erleuchtung, meint aber in Wahrheit: kein Job, keine Wohnung, aber ein Instagram-Account mit Sonnenuntergängen und dem Hashtag #blessed.

Mallorca ist für sie keine neue Heimat, sondern einfach nur eine Bühne. Und auf dieser Bühne gibt es keine Statisten, jeder will die Hauptrolle spielen. Doch während die integrierten Deutschen sich mit echten Herausforderungen herumschlagen, wie zum Beispiel der Bürokratie, den Schulbehörden und den Steuererklärungen, so sitzen die Hochstapler auf ihrer Dachterrasse und schreiben an ihrem nächsten „E-Book über Erfolg“, das nie erscheinen wird, weil sie beim Inhaltsverzeichnis hängen bleiben.

Und trotzdem: Man kann ihnen nicht böse sein. Denn irgendwo zwischen all dem Größenwahn, den erfundenen Lebensläufen und den spirituellen Businessplänen steckt eine tiefe Sehnsucht. Nach Bedeutung. Nach Anerkennung. Nach einem Leben, das größer wirkt als das, was man in Wuppertal oder Bottrop hinter sich gelassen hat.

Mallorca ist eben nicht nur eine Insel, sie ist ein Zustand. Ein Zustand zwischen Wunsch und Wirklichkeit, zwischen Lebensfreude und Lebenslauf-Fiktion. Und die deutschen Hochstapler? Sie sind die bunten Vögel in diesem tropischen Theater der Selbstvermarktung. Man kann sich über sie wundern, man kann über sie lachen und man kann ihnen auch ein bisschen Respekt zollen. Denn wer den Mut hat, sich selbst zur Marke zu machen, verdient zumindest einen Applaus. Oder einen Sangria.

In diesem Sinne: Bleiben Sie wachsam, meine lieben Leser. Und wenn Ihnen demnächst jemand erzählt, er sei „spiritueller Investmentberater mit Fokus auf energetische Rendite“, dann wissen Sie: Sie sind mittendrin im mallorquinischen Märchenland der deutschen Hochstapler. Der Eintritt ist frei, vergessen Sie das Popcorn nicht!

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