Verfall

Es ist wie es ist, meine lieben Leser, aber auf Mallorca verfallen die Steinbauten schneller als eine Sandburg im Herbstregen. Fincas, Mühlen, einst stolze Herrenhäuser wirken heute wie Kulissen für einen Historienfilm mit dem Titel „Der Putz ist ab!“ Manche Mauern sehen aus, als hätten sie sich selbst aufgegeben und warten nur noch auf den nächsten Windstoß, um sich elegant in Staub zu verwandeln.

Man könnte meinen, die Insel habe sich in ein Freilichtmuseum des Verfalls verwandelt. Der Eintritt ist frei, aber bitte nicht anlehnen, die Trockenmauer könnte beleidigt zusammenbrechen. Zwischen bröckelndem Putz und morschen Fensterläden wirkt manches Gebäude, als hätte es sich freiwillig in die Rente verabschiedet. Während die Touristen Selfies vor den Ruinen machen, fragt sich die Insel still, warum nicht renoviert und restauriert wird?

Ein Grund dafür ist natürlich der Geldmangel. Die heutige Generation hat zwar Streamingabos, elektrische Zahnbürsten, vegane Mandelmilch im Kühlschrank, aber kein Budget für Dachziegel. Die Lebenshaltungskosten steigen wie die Temperaturen im August, und wer zwischen Stromrechnung und Supermarkteinkauf jongliert, denkt selten an die instabile Wand im Außenbereich. Restaurierung? Klingt nach Wellness für Gebäude und wer hat schon Geld für architektonische SPA-Behandlungen?

Dann gibt es noch die Erbschaftsverwirrung. Viele Fincas gehören inzwischen fünf Cousins, drei Tanten und einem Onkel, der seit 1997 nicht mehr auffindbar ist. Die Besitzverhältnisse sind so undurchsichtig, dass selbst Sherlock Holmes kapitulieren würde. Bevor man sich auf eine gemeinsame Renovierung einigt, streitet man lieber darüber, ob Tante Catalina damals wirklich das gute Geschirr mitgenommen hat. Der eine will verkaufen, der andere hat den Farbeimer schon geöffnet und der dritte plant einen Yogakurs, direkt neben dem einsturzgefährdeten Stall. Familienrat? Eher eine Mischung aus Theaterprobe, Erbsenzählerei und kollektiver Amnesie.

Auch die Gemeinden sind klamm, an Zuschüsse ist nicht mal zu denken. Deren Kassen sind so leer, dass selbst die Staubmäuse sich nach einer anderen Bleibe umschauen. Wenn doch mal Geld auftaucht, wird es für dringendere Dinge gebraucht, wie neue Verkehrsschilder oder die Reparatur der Rathaus-Klimaanlage, damit die Beamten bei 38 Grad nicht in Ohnmacht fallen. Zwar kaufen manche Städte hin und wieder historische Objekte auf, wie zum Beispiel Mühlen, ehemalige Kinosäle, verlassene Kulturhäuser, aber das Geld für die Restauration fehlt einfach. So bleibt nur zuzusehen, wie die Vergangenheit langsam zerfällt, Stein für Stein, wie ein Denkmal, das sich in Zeitlupe in Puder der Vernachlässigung verwandelt.

Meine lieben Leser, auch auf Mallorca gibt es sie, die Bürokratie! Hier wird tatsächlich jede Renovierung in ein Papierkramabenteuer verwandelt. Wer ein altes Gebäude restaurieren will, braucht Genehmigungen, Gutachten, Pläne und manchmal auch die Zustimmung eines Archäologen, eines Vogelschutzbeauftragten und der Heiligen Jungfrau von Lluc. Bis alle Stempel gesammelt sind, ist das Dach längst im Innenhof angekommen.

Nicht zu vergessen: die romantische Verklärung des Verfalls. Manche Menschen finden ruinöse Umzingelungen einfach schön. „Das hat Charakter“, sagen die, während sie über einen Stein stolpern und sich dabei das Bein brechen. Instagram ist voll von Bildern mit dem Hashtag #verfalleneschönheit. Da wird die kaputte Mahlstätte zum Symbol für Authentizität, und das marode Landhaus zur Kulisse für Boho-Fotoshootings mit Strohhut und melancholischem Blick.

Viele Mallorquiner behaupten sogar, die Bauwerke verfallen aus Trotz! Sie haben genug gesehen: Touristen in Flipflops, die nach „dem echten Mallorca“ fragen, während sie Sangría aus Eimern trinken und sich am Strand wie tollwütige Schweine benehmen. Vielleicht sagen sich die alten Gemäuer: „Wenn ihr mich nicht schätzt, dann lasse ich los und bin weg!“

Was bleibt, ist ein verblassendes Inselbild. Zwischen Schönheit und Bröckelromantik. Zwischen Mandelblüte und Mauerpilz. Zwischen dem Wunsch nach dem Erhalt und der Realität des Kontostands.

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