Stempelzirkus

Es ist wie es ist, meine lieben Leser, aber auch auf Mallorca gibt es sie, die Bürokratie! Ein träges, vielköpfiges Wesen mit Vorliebe für Stempel, das sich von Formularen ernährt und sich nur bewegt, wenn man es mit einem sehr speziellen Ritual beschwört: den Antrag in dreifacher Ausführung, unterschrieben mit einem blauen Kugelschreiber, schwarz wird nicht akzeptiert, rot ist ketzerisch, grün ist für Oliven und gelb ist nur der Sonne vorbehalten. Wer glaubt, er könne einfach so ein Auto ummelden, ein Gewerbe anmelden oder – Gott bewahre – eine Residencia beantragen, der glaubt auch, dass man einen Oktopus mit einem Teelöffel dressieren kann.

Die mallorquinische Behördenstruktur hat ihre ganz eigene Zeitrechnung. Ein „mañana“ kann alles bedeuten: morgen, übermorgen, irgendwann oder „ich hoffe, du vergisst es und kommst nie wieder“. Termine beim Rathaus sind wie Sternschnuppen: selten, kurz sichtbar und meist schon wieder weg, bevor man sich etwas wünschen kann. Wehe dem, der ohne Termin erscheint. Dann wird man angesehen, als hätte man versucht, mit Flipflops bei einem Marathonlauf mitzumachen.

Besonders spannend wird es, wenn man Dokumente braucht. Denn auf Mallorca gilt: Für jedes Dokument braucht man ein anderes Dokument, das belegt, dass man das erste Dokument beantragen darf. Es ist ein bisschen wie bei russischen Matroschka-Puppen, nur dass jede Puppe ein anderes Büro hat, das nur dienstags zwischen 9:17 und 09:18 Uhr geöffnet ist. Selbstverständlich müssen Sie auch hier einen Termin vereinbaren! Die Website dafür funktioniert nur mit einem Browser, den es seit 2012 nicht mehr gibt. Also, viel Glück!

Ein Klassiker ist auch das NIE-Zertifikat: die Número de Identidad de Extranjero. Ohne sie geht auf der Insel nichts, absolut nichts. Kein Konto, kein Vertrag, kein Leben. Sie ist der heilige Gral der Ausländerexistenz. Dieses Papier mit Macht zu bekommen ist wie ein unvergessliches Abenteuer, das irgendwo zwischen Indiana Jones und Kafka liegt. Man braucht Geduld, Zeit Demut, Hoffnung und einen Ausdruck des Formulars EX-15, der exakt auf 80-Gramm-Papier gedruckt wurde. 90 Gramm ist zu dick, 70 Gramm zu unseriös. Glanzpapier geht übrigens auch nicht, das ist nur den illustrierten Tratschzeitschriften vorbehalten.

Aber es wäre unfair, nur zu schimpfen. Denn hinter jedem Schalter sitzt ein Mensch. Ein Mensch mit Thermoskanne, Willkür und einer mangelnden Arbeitsmoral. Diesen Stempelartisten ist es absolut egal, wie wichtig Ihr Anliegen ist und was davon alles abhängt. Das ist Ihr Problem, meine lieben Leser, nicht das der Beamten, denn die kriegen ihr Geld am Ende des Monats so oder so. Also, wozu dafür tatsächlich arbeiten? Doch manchmal, ab und zu geschieht ein Wunder! Dann trifft man auf einen Staatsdiener, der lächelt, der hilft und einem sogar den fehlenden Zettel des Schicksals ausdruckt. In Farbe. Man verlässt das Büro mit Tränen in den Augen und dem Gefühl, gerade Zeuge eines kleinen bürokratischen Wunders geworden zu sein.

Natürlich gibt es Tricks. Man kann sich mit Einheimischen verbünden, die wissen, wann welcher Beamte gute Laune hat, meist nach dem zweiten Cortado und vor dem vierten Frühstück. Oder man geht gleich zu einem Gestor, einem professionellen Bürokratieflüsterer, der für mehrere Euro beliebiges Formular rückwärts im Schlaf ausfüllt, dabei noch einen Kaffee trinkt und gleichzeitig einen Purzelbaum schlägt. Wer wirklich tief in der Insel verwurzelt ist oder gar einen Mallorquiner oder eine Mallorquinerin geheiratet hat, der hat es etwas einfacher. Auf den mallorquinischen Clan ist immer Verlass, denn, jemand kennt jemanden, der jemanden kennt, dessen Schwager/Tante/Onkel/Bruder/ Schwester/Mutter/Vater/Schwägerin genau dort arbeitet, wo Sie gerade nicht dran kommen. Ruckzuck haben Sie einen Termin und Ihr Anliegen wird erledigt.

Und doch, trotz allem, bleibt man hier. Weil Mallorca eben nicht nur aus Formularen besteht, sondern auch aus Nachmittagen am Meer, aus Nachbarn, die einem Orangen bringen, und aus dem Gefühl, dass das Leben hier zwar nicht immer einfach, aber dafür echt ist. Die Bürokratie ist nur ein klitzekleiner Teil des Spiels. Sie prüft, ob man es wirklich ernst meint mit der Insel. Wer durchhält, wird belohnt, mit einer Steuernummer, einer Residencia und dem Recht, sich über all das aufzuregen wie ein echter Mallorquiner.

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