Kürbisquatsch
Es ist wie es ist, meine lieben Leser, aber ich muss es einfach loswerden: Mallorca, meine geliebte Insel der Mandelblüten, Siurells und melancholischen Eseln, wird von einem schleichenden Gruselkürbis bedroht. Ja, ich spreche von Halloween. Dieser importierte Plastikspuk schleicht sich wie ein schlecht gelaunter Vampir in die mallorquinischen Traditionen und hinterlässt dabei Glitzerblut und Gummizähne. Er hat es tatsächlich geschafft, den 1. November, den ehrwürdigen „Día de Todos los Santos“, in den Schatten zu stellen. Und zwar nicht in einen poetischen Schatten, sondern in einen mit blinkenden Totenköpfen und quietschenden Hexenbesen. Grässlich das Getue, einfach nur grässlich.
Früher, ach früher! Da war der 31. Oktober auf Mallorca ein stiller Tag der Vorbereitung. Die Menschen putzten die Gräber, polierten Marmorkreuze, stellten Chrysanthemen in Reih und Glied, wie kleine Soldaten der Erinnerung, bereit zum Dienst. Die Friedhöfe dufteten nach frischer Erde, nach Respekt und nach einem leisen Gespräch mit den Verstorbenen. Es war, als würde die ganze Insel einmal tief durchatmen, innehalten und sich sammeln für den Tag des Gedenkens. Heute stolpere ich über Gummifratzen, während ich versuche, eine Kerze für die verstorbenen Großeltern meines Mannes anzuzünden. Mit wachsendem Bedauern sehe ich zu, dass es immer weniger Inselbewohner sind, die diese jahrhundertelange Tradition noch pflegen. Die Reihen der Chrysanthemen lichten sich und mit ihnen die derjenigen, die gedenken wollen.
Über die Jahre hinweg beobachte ich mit wachsendem Entsetzen und einem leicht nervösen Augenzucken: Kinder in Skelettstrumpfhosen, Erwachsene mit blutigen Latexwunden, Kürbisse mit LED-Innenleben. Und das alles in Llucmajor! In Llucmajor, wo man einst noch wusste, dass man den Toten mit Liebe und Würde begegnet. Jetzt wird „Truco o trato“ gerufen, während Oma Catalina versucht, ihre Geranien vor einem Zombie im Gummibärendelirium zu retten. Ich selbst traue mich an diesem Tag nicht mein Haus zu verlassen, aus Angst, von einem überdimensionierten Kürbis erschlagen zu werden, der sich von einem Balkon löst und mit fiesem Lachen auf meinen Kopf knallt.
Verstehen Sie mich nicht falsch, meine lieben Leser, ich habe nichts gegen Verkleidungen. Wenn jemand als kunstvoll drapierter nostalgischer Ritter mit Sonnenbrand durch die Gassen zieht, klatsche ich innerlich Beifall. Auch die nächtliche Süßigkeitenjagd sei den Kindern gegönnt. Was mir allerdings sauer aufstößt, ist die schleichende Verdrängung. Der Traditionsverlust eines Tages, der so viel mehr bedeutet als ein bloßes Kalenderblatt mit Feiertagsmarkierung. Der 1. November ist kein Bonus-Tag zum Ausschlafen nach der Zuckerorgie. Er ist ein magischer Moment, ein stiller Dialog zwischen den Lebenden und jenen, die uns vorausgegangen sind. Man sollte nicht mit Bauchweh vom übertriebenen Bonbongenuss im Bett liegen, sondern mit Blumen in der Hand auf dem Friedhof stehen. Statt sich vom Vortag zu erholen, könnte man sich erinnern….an Geschichten, Stimmen, Gesichter, Gesten.
Die mallorquinischen Gräber sind wahre Kunstwerke! Sie gleichen kleinen Altären der Vergangenheit, liebevoll gepflegt und an diesem Novembertag überreich mit Blumen geschmückt. Chrysanthemen, Lilien, Nelken, kunstvoll gebundene Sträuße, die aussehen, als kämen sie direkt aus einem Hochglanzkatalog für florale Gedichte. Viele Grabplatten bestehen aus poliertem Marmor, graviert mit filigranen Inschriften, die nicht nur Namen und Daten verraten, sondern manchmal ganze Lebensgeschichten in wenigen Zeilen andeuten. Fotos der Verstorbenen, oft mit ernstem Blick, Sonntagsfrisur und einem Hauch Stolz. Wenn die Nachmittagssonne auf die Kerzenlichter trifft, beginnt der ganze Friedhof zu leuchten! Nicht grell, sondern still, warm und würdevoll. Ein Leuchten, das nicht blendet, sondern das Herz erfreut.
Von mir aus kann Halloween weg, wirklich! Lassen Sie uns die Filzspinnen in die Tonne kloppen, die Kürbisse wieder zur Suppe machen und dem 31. Oktober sowie dem 1. November ihre würdevolle Bedeutung zurückgeben. Statt blinkender Totenköpfe und Zuckerrausch empfehle ich Kerzenlicht, Chrysanthemen und ein stilles Gedenken. Wer weder mit Grusel noch mit Grab etwas anfangen kann, der hat trotzdem eine wunderbare Option: Am ersten Novembertag meiner Schwester zum Geburtstag gratulieren! Ich mache es hiermit schon vorab: Alles Liebe, Schwesterherz! Du bist der schönste Grund, den Beginn des kommenden Monats zu feiern!