Johannisnacht
Es ist wie es ist, meine lieben Leser, aber, die Nit de Sant Joan steht wieder vor der Tür! Nächste Woche ist es soweit, dann ist das offizielle Buffet für die Mücken am Strand eröffnet.
Als ich neu auf der Insel war, hatte ich schon gehört, dass die Johannisnacht auf Mallorca ein großes Ding ist. Mit Feuer, Menschenmassen, geheimen Wunschritualen und Geschichten, bei denen man nicht weiß, ob sie wahr sind oder einfach nur gut erzählt. Aber ehrlich gesagt: Ich habe mich nie hingewagt. Mir war das alles ein bisschen zu... aufgeladen. Zu viele Leute, zu viele flackernde Feuer mitten im Sommer und offene Emotionen. Ich dachte damals, das ist eher was für andere und einfach nichts für mich!
Das änderte sich allerdings, als mein damaliger Freund eines Abends im Juni vor mir stand, leuchtend wie ein Fünfjähriger kurz vor dem Silvesterfeuerwerk, und freudig verkündete:: „Heute haben wir eine magische Nacht vor uns, ich habe schon alles vorbereitet, komm mit!“ Wow, dachte ich, so viel Romantik hätte ich meinem stolzen Mallorquiner gar nicht zugetraut! Weg war die Romantik und das magische Gefühl, als mein zukünftiger Ehemann noch hinzufügte, dass ein paar von seinen Kumpels auch mitkommen werden.
Während der Autofahrt resümierte ich still vor mich hin. Was mich da wohl erwartet? Ob das mit den Wünschen wirklich stimmt? Vielleicht passiert ja wirklich etwas Magisches? Viel Zeit zum Grübeln blieb mir allerdings nicht. Kaum hatte ich mich in meine Fantasien vertieft, parkte mein mallorquinischer Begleiter das Auto auf einem dunklen Strandparkplatz. Dann ging alles ganz schnell. Er warf sich das Gepäck auf die Schultern und marschierte los. Mit all der Last auf dem Rücken erinnerte er ein bisschen an einen tapferen Esel auf Wanderschaft. Ich folgte ihm gedankenverloren durch den Sand und dachte noch: Wird schon irgendwie nett werden. Und mal ehrlich, was soll schon schiefgehen?
Ha, meine lieben Leser, eine Menge, wie es sich im Laufe des Abends und der Nacht feststellte. Zunächst mal: Das Fest begann quasi im Dunkeln. Wirklich, im Stockdunkeln. Die Sonne verabschiedete sich, während ich noch mit der Frage kämpfte, ob man auf einer mitgebrachten Strandmatte stilvoll sitzen oder direkt in den Sand umkippen sollte?
Dann: der Sand. Er war überall. Zwischen den Zehen, im Haar, im dritten Sangriabecher. Und wie durch ein Wunder schaffte es der Sand auch in meinen geschlossenen Rucksack, den ich extra zugemacht hatte.
Die Clique meines Mannes war und ist übrigens sehr nett, Mallorquiner in Bestform: laut, herzlich, und mindestens sieben kennen meinen Mann, laut eigener Aussage „seit dem Kindergarten, oder davor“. Als „novia alemana“ wurde ich von Anfang an, freundlich in die Gemeinschaft aufgenommen, auch wenn ich zwischen zwei Bocadillos kurz in den Verdacht geriet, Vegetarierin zu sein.
Und dann kamen sie: die Schnacken. Mücken auf Mission. Man hätte meinen können, ich wäre das Buffetschild, auf dem "Neu auf der Insel, zart, süßlich" stand. Während die Einheimischen seelenruhig ihren Sangria tranken und offensichtlich eine Antimückenaura besaßen, hatte ich binnen Minuten den Körper eines Dalmatiners. Im Minikleid. Dankbar nahm ich das Angebot einer mallorquinischen Mitfeiernden an, mich mit einem geheimen Hausmittel einzureiben: Sangria mit Rosmarin! Hat’s geholfen? Nein. Hat’s gut gerochen? Ja!
Der Höhepunkt des Abends war das Meer. Punkt Mitternacht stiegen wir hinein, mit einer Kerze in der Hand und einem Herzen voller Wünsche. Das Wasser war angenehm warm, die Nacht tiefschwarz, und ich tastete mich Schritt für Schritt vorwärts. Alles war ruhig, fast feierlich. Doch dann geschah das, worauf mich niemand vorbereitet hatte. Plötzlich spürte ich keinen Boden mehr unter den Füßen, und mit einem unerwarteten Platschen war ich komplett unter Wasser. Zum Glück kann ich schwimmen. Ich tauchte wieder auf, mit halbwegs gewahrter Würde, aber ohne Sonnenbrille und ohne Kerze, jedoch mit einem kühlen Kopf.
In den frühen Morgenstunden, der Sand war längst mein persönliches Körperpeeling, die Mücken führten ein Freudenfest auf meiner Haut auf, machten wir uns wieder auf den Heimweg. Ich war müde, zerstochen und leicht paniert, aber auch ein bisschen stolz. Ich hatte sie überlebt, diese seltsame, schräge, irgendwie verrückte, aber doch zauberhafte Nacht! Habe ich jemals wieder die Nit de Sant Joan am Strand gefiert? Ja! Finde ich inzwischen sogar Gefallen daran? Vielleicht!